ZIZERLWEIS
Vom Einsickern Österreichs in einen Münchner Geist

23. April 2022


Österreichische "Bierkultur"


In Österreich, besonders in Ost-Österreich, wächst Wein. Guter Wein. Seit langer Zeit schon. Es gibt in Mautern an der Donau, gegenüber von Krems, einen Weinkeller, den hat es schon gegeben, da waren die Römer noch heimisch in diesem schönen Teil der Welt. Wein hat Tradition in Österreich, Wein hat Qualität in Österreich. Zur Steigerung der Qualität trug vor Jahren auch der Glykol-Skandal bei, was irgendwie echt österreichisch ist: Es braucht die Affäre, damit sich etwas zum Guten wendet (wobei es auch viele Affären und Skandale im Land gibt, die werden einfach hingenommen als zur Folklore gehörig und ändern nichts, aber auch gar nichts – die ÖVP, das österreichische Pendant zur CSU, verdankt nur diesem Umstand ihre fortgesetzte Existenz). Aber sei es, wie es sei, seither ist der Wein in Österreich bestens geprüft und selbst die trickreichsten Winzer versuchen sich nicht mehr an der illegalen Streckung ihrer Produktion. In Sachen Wein ist also alles bestens in Österreich.
Hopfen
Mit dem Bier sieht es da anders aus. Wobei das nicht mit den natürlichen Begebenheiten zu erklären ist, sondern ein Problem der Kultur sein muss. Denn auch Hopfen wächst in Österreich, wild sogar und gerne in Nachbarschaft zum so erfolgreich kultivierten Wein. Doch mit dem Hopfen kann man in Österreich offensichtlich längst nicht so gut umgehen wie mit dem Wein.
Das hat, vermute ich, historische Gründe. Österreich war ja bekanntlich schon deutlich größer als heute, es vereinigte viele Völker und Kulturen unter seinem Dach. Und es betrieb kulturell und kulinarisch eine Art Arbeitsteilung zwischen seinen Völkern. So ergab es sich, dass die Köchinnen, die in den Küchen der Hauptstadt werkelten, sehr häufig aus Böhmen „importiert“ wurden. Aber nicht nur sie kamen aus Böhmen (und brachten die Golatsche und den Powidl mit), auch das Bierbrauen überließ man lieber den Böhmen.
Zu Recht, denn die Böhmen, die inzwischen auch in Österreich mehrheitlich Tschechen genannt werden, sind halt nun einmal die besten Bierbrauer der Welt, unerreicht selbst von den beiden anderen Völkern, die sich wirklich auf diese Kunst verstehen: die Bayern und die Franken. Bis heute gibt es fast überall in Wien tschechisches Bier zu kaufen, gezapft, in der Flasche oder gar – gänzlich befremdlich für Deutsche seit Herrn Trittins Amtszeit – in der Dose. Leider aber gibt es auch österreichisches Bier.

Vom österreichischen Bier sind zwei Arten erhältlich: Solches, das trinkbar ist. Und solches, das nie gebraut hätte werden sollen. Wobei ich gleich zugeben muss, die erste Gruppe wird mit der Gewöhnung an die Umstände, in die es mich verschlagen hat, größer.
Da hat es zum Beispiel eine Sorte Bier, die kommt aus Graz und wirbt tatsächlich damit, das „bierige“ Bier zu sein. Bierig in Anführungszeichen! Also nur ironisch bierig! Was, so fand ich, als ich dieses Bier das erste Mal kostete, die ehrlichste Werbung war, die es je gegeben hat. Puntigamer Ich trank es auf einer Hochzeit im Burgenland, ich trank es zusammen mit vier anderen Bayern, wir stießen mit unseren Gläsern an, nahmen den ersten Schluck – und waren uns einig: In der Tat, ein „bieriges“ Bier. Da steigen wir lieber stante pede um auf Wein (der ist hier wirklich gut, falls ich das noch nicht erwähnt haben sollte).
Inzwischen, so weit ist es mit mir gekommen, finde ich das „bierige“ Bier gar nicht mehr schlimm, es gibt zwar bessere Sorten in Österreich, vom richtigen Bier in Tschechien, Franken und Bayern ganz zu schweigen, aber man kann es trinken...
Noch ein Geständnis muss ich leisten: Je länger ich in Österreich lebe, desto weniger bin ich der Bier-Purist, der man als Bayer qua Natur ist: Ich trinke – und ich schäme mich nicht einmal mehr dafür – jetzt sogar eine österreichische Abart des Bieres, für deren Verkauf Wirte in Bayern völlig zu Recht gelyncht würden: Das Gemischte. Da panscht der Schankkellner zwei verschiedene Sorten Bier, ein Dunkles und ein Helles, im Verhältnis 1:1 in einem Glas zusammen. Sakrileg! Aber bei österreichischem Bier sehr zu empfehlen, denn eines von Beiden wird schon brauchbar sein und das andere, weniger brauchbare geht im Gesamtergebnis unter. Doch, ganz erstaunlich, auch beim Budweiser (dem tschechischen natürlich) ist das Gemischte tatsächlich schmackhaft – wer immer nach Wien kommt, gehe ins Schweizerhaus und probiere es aus.
Kleines Glas
Eine Sache jedoch nehme ich den Österreichern im Umgang mit dem Bier wirklich übel, aller zwischenzeitlich erworbenen Toleranz gegen die hier üblichen Bier-Unsitten zum Trotz. Ich bekomme nie, aber wirklich nie das richtige Glas zum gewählten Flaschenbier. Nie! Ich komme in ein Kaffeehaus, ich blicke in die Karte, ich entdecke ein gutes bayerisches Bier in der Flasche von einem halben Liter, ich bestelle in freudiger Erwartung eines richtigen Bieres ebendieses. Ich bekomme ein Glas mit 0,3 Litern Fassungsvermögen. Was soll das?
Sie haben Halblitergläser, das sehe ich an den Bieren der anderen Gäste, die in ihrer Ahnungslosigkeit das österreichische Bier vom Fass bestellt haben. Sie ignorieren aber willentlich, dass ein halber Liter Bier in einem Glas von einem halben Liter Fassungsvermögen serviert gehört – oder halt gleich nur in der Flasche. Sie machen sich einen Spaß daraus, den halben Liter Bier mit 0,3-Liter-Glas zu servieren. Wie soll man da denn das Bier anständig einschenken? Und würde irgendjemand Wein in einem Wasserglas servieren? Nein! Das wäre stil- und lieblos. Warum aber, liebe Österreicher, geht ihr dann so despektierlich mit dem Bier um?